Birk

January 30, 2022

Identität, Authentizität und Erwartungen

In letzter Zeit beschäftige ich mich viel mit Identität und Authentizität, denn ich spreche bei Künstlern oft von einer Artist Identity. Wieso?

Zunächst: Was meine ich mit Artist Identity?

Auf der Bühne stehst zwar du, aber trotzdem nicht du mit all deinen Facetten. Wir möchten nicht wissen, wie dein Termin beim Zahnarzt war, wie dein Bankkonto gerade aussieht oder wie dein Umzug lief, wenn du auf die Bühne gehst. Wenn alle Augen auf dich gerichtet sind, erwarten wir eine Künstlerin, die uns mit ihrer Kunst bewegt. Man kann und muss nicht alles Persönliche auf die Bühne tragen und ich denke, es ist auch nicht gesund, da wir als Gesellschaft ganz verrückte Erwartungen an Künstler haben (Das ist ein Thema für einen weiteren Beitrag). So ganz lassen sich Persönliches und das Künstler-Dasein natürlich nicht trennen (und sollte man auch nicht, wie wir später merken werden), aber wir sollten achtsam im Umgang damit sein.

Ich finde es daher wichtig, als Künstler eine eigene Artist Identity zu schaffen, damit wir diese von dem Persönlichen getrennt betrachten können. Ich denke sogar, dass diese Artist Identity künstlerisch geschaffen und gestaltet werden kann – so wie deine Musik, mit Blick auf die Gruppe von Menschen, für die du das alles machst. Im Marketing sprechen wir dann von einer Marke. Klar, jeder weiß, was mit 'Marke' gemeint ist. Dennoch ist es schwer zu definieren, was eigentlich eine Marke ist. Hier mein Versuch: Eine Marke ist die Summe aller Bemühungen, verschiedene Erwartungshaltungen aufzubauen und sie einzuhalten.

Zwei Beispiele: Wenn du einen Song von einer Künstlerin hörst, hast du danach eine bestimmte Erwartungshaltung. Du hast eine Vorstellung davon, wie die weiteren Songs sein könnten, wie die Künstlerin auftritt, wie das Live-Set aussehen könnte et cetera. Das Gleiche geht auch in die andere Richtung: Wenn wir nur das Foto einer Künstlerin sehen, haben wir auch automatisch eine Erwartung, wie ihre Musik sein könnte.

Erwartungen basieren auf Erfahrungen, die wir mit anderen Künstlern, Genres oder gar Kulturen gemacht haben. Und mit den Erfahrungen des Publikums können wir bewusst arbeiten: Wenn wir beispielsweise ein Fotoshooting für eine Künstlerin planen, dann können wir bewusst planen, welche Erwartungshaltung wir erzeugen möchten, die dann zur Marke bzw. zur Identität beiträgt. Die Frage ist dann: Welche Erwartungshaltung möchten wir mit dem Foto aufbauen, damit wir beispielsweise mit der Musik dann die Erwartungshaltung erfüllen oder gar das Publikum überraschen können, weil sie was anderes erwartet haben?

Die schwierige Aufgabe ist, die die Erwartungen immer und immer wieder zu erfüllen, zu übertreffen oder damit zu spielen und die Menschen zu überraschen. Gelingt uns das fortwährend, bauen wir Schritt für Schritt eine Marke, beziehungsweise eine Artist Identity auf.

Wichtig ist daher auch: Wir möchten unbedingt verhindern, die Erwartungen zu enttäuschen. Und hier kommen wir wieder zurück zur Trennung von Artist Identity und Persönlichem: Wie kann eine Artist Identity aufgebaut sein, wenn du als Person mit deiner Geschichte, deinen Werten, deinem Verhalten et cetera bereits eine Erwartungshaltung beim Publikum hervorrufst? Wie bereits gesagt, können und sollten das Persönliche und deine Artist Identity also nicht ganz getrennt werden.

Deine Artist Identity sollte sogar möglichst auf dir, deiner Historie, deinen Erfahrungen, deinen Werten und deinen Zielen fußen, also darauf aufbauen. Denn sonst wäre sie nicht authentisch – Wir Menschen merken sehr schnell, wenn etwas nicht in einer Linie mit dem ist, was wir erwarten. Greife also mit deiner Artist Identity Aspekte deiner Persönlichkeit auf, die du hervorheben möchtest und stelle sie in den Vordergrund. Andere Aspekte kannst du vielleicht rauslassen oder sie nicht so in den Vordergrund stellen.

Nun zu der Frage: Wo fangen wir am besten an? Ein paar Anregungen, wo du nach Punkten suchen kannst, die es zu verknüpfen gilt: 
  • Wo kommst du her? Was ist deine Geschichte? Was macht sie besonders? 
  • Mit Blick auf unsere Gesellschaft: Was ist dir wichtig? Was möchtest du verändern?
  • Mit Blick auf deine Songs und deine Texte: Was adressierst du für Themen, was erzählst du für Geschichten?
  • An welche Künstler erinnerst du die Menschen? Kannst du die Erwartung erfüllen oder nicht?

… nur ein paar Ideen.

Ich freue mich, wenn dieser Beitrag für dich war und bin gespannt zu hören, was du dazu denkst. Schreib mir deine Gedanken an  birk@hey.com – damit wir zusammen lernen und unsere Arbeit besser machen können.

All the best
Birk

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Hi! Das ist mein Blog für Musiker:innen, die ihr eigenes Musikprojekt führen und die Dinge anders angehen wollen. Ich schreibe über kreatives Schaffen, Artist Development und Marketing im Musikbusiness und hoffe, es ist hilfreich für deine kreative Arbeit.

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