Dominik Criado

March 6, 2023

KI-Sprachmodelle und der Journalismus

Journalismus ist eines der Berufsfelder, die von den Entwicklungssprüngen im Bereich Machine Learning und Sprachmodelle (LLM) regelrecht durchgeschüttelt werden. Und es ist eines meiner Herzensthemen. Ich selbst habe Journalistik studiert und sehe eine gesunde und starke Presse als unabdingbar für eine jede Gesellschaft an.

Zuerst beobachtete ich die Entwicklungen mit etwas Sorge. Die Lage unter Journalisten ist seit dem Untergang von Print sowieso prekär. Sprich, seit 15 Jahren. Bezahlungen sind meistens schlecht, Festanstellungen Mangelware. Man muss schon Überzeugungstäter sein (oder bei den Öffentlich-Rechtlichen untergekommen sein).

Eine ohnehin schwierige Situation – und nun kommt die nächste Disruption der Medienwelt?

Journalisten (egal ob Text, TV oder Radio) stehen im Zentrum des KI-Sturms. Ob beim Erstellen von Artikeln, Skripten, Interviewfragen, Themenideen, Überschriften oder bei der Recherche – genau hier spielen die Bots ihre Stärken aus. Es geht um die Essenz der journalistischen Arbeit. Jobverluste liegen hier nahe. Oder?

Das Beispiel Gruner + Jahr zeigt gerade aktuell, dass die Versäumnisse der letzten Jahre noch verarbeitet werden. Fehlende digitale Geschäftsmodelle und zu konservative Investitionen lassen die Verlage bluten.

Während sich also einige in der Branche gerade noch "gesundschrumpfen" bis gar kein Fleisch mehr auf den Knochen ist und Investitionen unmöglich werden, zündet die Tech-Realität die nächste Eskalationsstufe.

Allerdings, mit etwas Abstand, relativieren sich meine Sorgen.

Wichtig ist die Einsicht, dass neue Tools sich in der Vergangenheit immer langsam in den Arbeitsalltag integriert haben und letztlich meistens als nützlich erwiesen haben.

Auf die Google-Suche wird kein Journalist mehr verzichten können. Auch Google Translate (oder noch besser: DeepL) funktioniert bereits mit Hilfe von KI und sind für manche Publikationen unabdingbar. Übersetzungs-Tools sind auch ein guter Vergleich, da auch hier eine starke Weiterentwicklung in den letzten fünf Jahren stattfand. Konnte man die Tools anfangs nur zum Nachschlagen einzelner Worte nutzen, verstanden die Maschinen immer mehr Kontext und Satzbau. Mittlerweile taugen die Übersetzungen sogar als solider erster Entwurf.

Und dennoch wird niemand sich ernsthaft alleine auf Google Translate verlassen. Es braucht immer einen Experten, der den Feinschliff, die Endabnahme und vor allem auch die korrekte Bedienung übernimmt. Die Tools unterstützen uns. Sie nehmen uns Arbeit ab und können unsere Fehler abfangen. Wer möchte darauf heute noch verzichten?

Guter Journalismus bringt auch Neues hervor. Neue Einsichten, Erkenntnisse, Fakten, Meinungen. Chatbots hingegen reproduzieren vorhandenes Wissen und sind auch nicht sonderlich gut darin, neue Zusammenhänge zu erstellen, wie es ein guter Investigativreporter oder Wissenschaftler vermag.

Statt sich auf das Thema Jobverlust zu konzentrieren, ist es jetzt wichtig, dass die Verlage einen richtigen Umgang mit den Sprachmodellen finden. Wie geht man redaktionell damit um? Dürfen KI-Texte veröffentlicht werden? Und wenn ja, muss dies für den Leser ersichtlich sein? Was ist mit Bildgenerierung auf KI-Basis?

Dass hier eine Gefahr besteht, hat der Fall CNET gezeigt. Das (einst) renommierte Tech-Magazin hat bereits im vergangenen Jahr SEO-Material mit KI erstellt. Die Texte wurden nur sehr subtil als KI-Content gekennzeichnet. Das Experiment ging auch eher in die Hose. Gravierende inhaltliche Fehler haben sich eingeschlichen, auch Plagiate waren darunter. Logisch, ChatGPT ist eine sehr überzeugende Reproduktionsmaschine bestehender Inhalte.

Anscheinend gab es bei CNET auch keine klare Regelung zum Einsatz von KI. Das führte dazu, dass die Redaktion selbst oft nicht wusste, ob der Text von Menschenhand oder der Maschine geschrieben wurde. Vor einigen Tagen hat der Editor-In-Chief angekündigt seinen Posten zu räumen und der Inhaber hinter CNET, "Red Ventures", hat Stellenabbau angekündigt.

Eine andere Publikation, die inhaltlich auch nah an dem Thema ist, WIRED, geht einen ganz anderen Weg. In einer Stellungnahme kündigte das Magazin an, man werde keine KI-erstellten Texte veröffentlichen. Auch keine Texte, die durch KI redigiert wurden.

Ich gehe davon aus, dass wir in den kommenden Monaten viele solcher Statements und Updates der Redaktionsstatuten sehen werden. "Made by human" wird ein Gütesiegel werden.

Ich hoffe, die neuen Tools bereichern den Arbeitsalltag der Journalisten und Verleger kommen nicht auf die blöde Idee, dadurch Kosten im großen Stil einsparen zu können. Maschine-zu-Mensch-Kommunikation ist eben nicht dasselbe wie Mensch-zu-Mensch.

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