Dominik Criado

February 12, 2023

Publisher vs. KI-Assistenten

Seit zwanzig Jahren tobt ein Kampf zwischen Publishern/Verlegern und den großen Aggregatoren des Internets (Google und Facebook). Es ist eine Hassliebe, weil die Publisher einerseits durch den weitergeleiteten Traffic profitieren, andererseits fühlen sie sich bestohlen, wenn Auszüge aus Artikeln in der Suche oder im Newsstream auf Facebook angezeigt werden.

Ich empfand das bisher immer als Neiddebatte der Verleger. Die eigene Branche leidet unter dem Internet, während die Tech-Konzerne aus dem Valley den dicken Reibach machen. Ähnlich auch das Meckern der Telkos, die an den Daten in ihren Leitungen mitverdienen möchten. Dabei hebt man die eigenen Nachteile hervor und lässt die Vorteile unter den Tisch fallen. Denn natürlich freuen sich Publisher über die Auffindbarkeit durch Google oder wenn jemand einen Artikel auf Social Media teilt. Und natürlich verkaufen die Telkos teurere DSL-Anschlüsse und Mobilfunkverträge, wenn das Netz attraktive und datenintensive Angebote bietet.

Diese ganze Debatte scheint jetzt in eine neue Phase zu gehen, denn ChatGPT hat die Bühne betreten. Zuerst scheint die Situation gar nicht so anders zu sein. ChatGPT durchforstet verschiedenste Quellen, um die Inhalte in die eigene Intelligenz zu füttern. Ähnlich wie es Suchmaschinen auch machen. Der Unterschied liegt allerdings im Interface: Während eine Google-Suche ein Eingangstor zum Weiterspringen auf die Seiten in der Ergebnisliste ist, verbleibt der Nutzer bei ChatGPT innerhalb des Tools. Er muss auf keine Fremdseite gehen, weil die Informationen ihm vollständig präsentiert werden. Es gibt keine Brücke mehr zu den Urhebern der Inhalte.

Das hat eine neue Qualität. Microsoft hat in der kürzlich vorgestellten Integration in Bing/Edge zumindest Quellenangaben bei den Antworten hinzugefügt. Das scheint nicht nur fair(er) gegenüber den Urhebern zu sein, sondern auch ein Must-Have, um die Qualität der Aussagen bewerten zu können.

Es ist zu früh, um diese Debatte wirklich einschätzen zu können. Microsoft hat noch keine Zahlen genannt, wie viele Nutzer tatsächlich auch auf die Quellenangaben klicken. Wir wissen auch nicht, ob es bereits Vereinbarungen zwischen einzelnen Publishern und Microsoft zur Verwendung gibt oder ob die KI Bezahlschranken ohne Erlaubnis umgeht.

Die Debatte beschränkt sich natürlich auch nicht nur auf journalistische Inhalte, sondern wird intensiv in der Kunstszene geführt. Dall-E und Midjourney können sehr realistische Nachahmungen von bekannten Künstlern anfertigen. Ist das dann ein Plagiat, eine Kopie? Ich denke eher nein. Die KI holt sich Inspiration bei menschlichen Künstlern, aber sie stellt keine identischen Kopien her. Und Inspiration darf nicht verboten sein.

Die Debatte wird (noch) hitziger werden – und mir glüht die Birne, weil ich mich das ganze Wochenende mit KI-Assistenten beschäftigt habe und sowohl die Faszination als auch die offenen Fragen meine menschliche Intelligenz gerade schlicht überfordern. Stay tuned ...

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