Daniel Flege

December 24, 2021

Film-Review: New Order (2020) – Der mexikanische Parasite?

Als "nächster Parasite" angekündigt, sorgte der mexikanische Thriller New Order vor allem für seine Vorwürfe um Rassismus und Klassismus für Aufsehen. Was ist dran an den Vorwürfen? Handelt es sich dabei um provokante PR? Und vor allem: kann der Film unterhalten? Das erfährst Du in dieser Film-Review.

Eat the Rich

Der Grundgedanke von New Order ist durchaus spannend: Die über Jahre ausgebeutete Unter- und Mittelschicht lehnt sich gegen die Diktatur der Reichen auf. Während der Hochzeitsfeierlichkeiten einer Unternehmer-Familie kommt es in Mexiko City zum Umsturz – und auch die Festivitäten bleiben hiervon nicht unberührt. Ein Hassmob zieht plündernd durch Straßen und Villen, brandschatzt und tötet alles, was sich nicht rechtzeitig retten kann. Eine neue Weltordnung ist geboren.

Lange darf sich die ausgiebig feiernde High Society nicht an Champagner und Kaviar laben. Denn kurzerhand stürmen die Anarchisten die meterhohen Mauern des Anwesens, um mithilfe der Bediensteten jeden letzten Pesos aus der feinen Gesellschaft herauszuprügeln.

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Braut Marianne (Naian González Norvind) bleibt hiervon erst einmal verschont. Gemeinsam mit dem Bediensteten Cristián (Fernando Cuautle) befindet sie sich auf dem Weg in die Stadt, um einem ehemaligen Angestellten in finanziellen Problemen zu helfen. Doch die nobel gemeinte Tat bringt sie schnell ins Visier der Drahtzieher, die wirklich hinter dem Umsturz stecken.

Das Problem von New Order: All das klingt spannend, intensiv und aktueller den je, geht jedoch in einem Wust von Gewalt, Provokation und Stereotypen unter. Einen Umsturz aus der Sicht der reichen Oberschicht zu inszenieren, sorgte leider kaum für Identifikation. Regisseur Michel Franco verwendet ein Drittel der Laufzeit darauf, das Ensemble der Superreichen einzuführen und sie allesamt als die abgehobenen Snobs darzustellen, die sie sind.

Statt jedoch das armselige Leben der Unter- und Mittelschicht zu zeigen, die ihnen diesen Lebensstandard ermöglicht, beschränkt sich New Order darauf, diese als dreckige, brandschatzende und brutale Tiere zu inszenieren. Die Aussage des Films: Unsere Gesellschaft ist nur einen Farbbeutelwurf davon entfern, in die primitivste Steinzeit zurückzufallen. Dass wir unseren Steinzeit-Vorfahren mit solchen Aussagen übrigens Unrecht tun, sei dahingestellt.

Provokation um der Provokation Willen

Im Anschluss an die Nacht des Schreckens, die packend inszeniert ist, schafft es der Film weder die Handlung voranzutreiben, noch etwas Neues zu erzählen. Vielmehr verwendet Franco knapp eine Stunde darauf, mit Grausamkeit und unnötiger, brutal inszenierter sexueller Gewalt zu provozieren. In seiner Welt gibt es keine Grauzonen mehr, nur noch animalischen Hass und gepeinigte Opfer – die leider primär aus der Oberschicht stammen.

Und wer bis hierhin noch nicht in Melancholie und Resignation versunken ist, für den schmeißen die letzten 20 Minuten den Gute-Laune-Sack erst recht über Bord. Nun wohnt man endgültig einer Welt voller Arschlöcher bei, die wenigen guten Menschen sind schon längst Geschichte. Eine Nachricht, die betroffen macht, aufgrund der fehlenden Nähe zu den handelnden Charakteren aber nicht von langer Dauer ist.

Um auch mal einige positive Noten einzustimmen: New Order ist handwerklich gut inszeniert. Der Aufbau saugt einen regelrecht hinein in die Welt der High-Society, deren Verhältnis zu Geld intern einerseits verschwenderisch, nach außen jedoch knausrig ist. Bis auf den etwas hölzern spielenden Eligio Meléndez agieren die meisten Beteiligten in ihren Rollen sehr solide. Und auch die im Laufe des Films entstehende neue Weltordnung mit ihrem dystopischen System der Machterhaltung hat Potenzial.

Ein Klassenkampf, der keinen Sieger kennt 

Alles in allem kann ich die Kritik an New Order, vorwiegend aus Mexiko selbst, durchaus nachvollziehen. Der Film spielt nur so mit den Klischees der barbarischen Unterschicht, die beim kleinsten Riss innerhalb der gesellschaftlichen Strukturen die Maske fallen lässt, um den animalischen Trieben nachzugehen. Auf der anderen Seite gerät die Oberschicht trotz anfänglicher Demaskierung zu schnell in die Opferrolle. Und so bleibt trotz eines spannenden Anfangs, provokativer Ansätze sowie einer technisch guten Umsetzung ein fader Beigeschmack eines Werkes, welches außer diesem oberflächlichen Klassenkampf leider nichts zu erzählen hat.

Wertung: ★★☆☆☆ (2 von 5)

Mein Review sowie weitere Details zum Film findest Du ebenfalls auf Letterboxd.

About Daniel Flege

Marketing-Manager aus Köln mit Leidenschaft fürs Podcasting. Stolzer Papa zweier Mädels. Liebt das Schreiben, Web-Entwicklung mit Rails & Kaffee ☕️

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