Wenn ich mit anderen über Selbstorganisation spreche, höre ich als Reaktion häufig ein "Ja, aber…".
[Umständlich für "Nein, denn …"]
Die Begründungen gehen häufig in diese Richtungen
[Umständlich für "Nein, denn …"]
Die Begründungen gehen häufig in diese Richtungen
- Das funktioniert nicht in unserer Branche/Land/Unternehmen
- Das ist "Survivor-Bias" (Erfolgsbeispiele); erzähl mir von denen, wo es nicht funktioniert hat.
Bzgl. (2) Survivor-Bias: Das gilt genauso für "traditionelle" Organisationsmodelle. Also lasst uns lieber die Wirkung der jeweils überlebenden Unternehmen sprechen.
Bzgl. (1) Die fehlende Vorstellungskraft, dass etwas anderes als das Gewohnte besser funktionieren könnte, ist verständlich. Aber: Die angeführten Einwände lassen tief in das Menschenbild blicken: Mitarbeiter der Branche seien unfähig (dumm), unmotiviert oder nicht vertrauenswürdig.
Dieselben Personen werden nicht müde zu sagen, dass Mitarbeiter die wichtigsten "Ressourcen" (Assets) im Betrieb seien… Alles klar?! 🤔
Die anderen Einwände sind: Ein Unternehmen sei zu klein oder zu gross, Kultur im Land nicht geeignet, die Branche zu speziell (reguliert)… und es funktioniert sowieso nur in Software-Agenturen voller Akademiker.
Abwehrargumente frei von Fakten, meist um den eigenen lieb gewonnenen Status zu bewahren und sich selbst hochzuloben.
Daher hier die Fakten und konkrete Beispiele:
Nein, es ist kein Phänomen kleiner Unternehmen oder Software-Agenturen!
Es gibt kaum eine Branche, Unternehmensgrösse oder Land, wo sich nicht erfolgreiche Unternehmen in Selbstorganisation finden … die auch noch besser* funktionieren als ihre Peers.
Am Ende des Artikels findest du eine Auswahl von 19 Unternehmen: verschiedener Branchen, Grössen und Länder. Jeweils mit einer kurzen Erläuterung, was sie tun und was sie auszeichnet.
*) "Besser funktionieren" heisst für mich primär, zufriedenere und engagierte Mitarbeiter die füreinander Sorge tragen und Freude an ihrem Job haben. Es zeigt sich, dass genau das mit besserer finanzieller Leistungsfähigkeit einhergeht.
Denn wie gut eine Organisation wirtschaftet, hängt vom Engagement und Zusammenhalt aller Mitarbeiter ab.
Sinnorientierung ist eine Komponente. Daneben zählt verantwortungsvolle Autonomie, kontinuierliche, persönliche Entwicklung, Anerkennung und Wertschätzung der eigenen Leistung durch Kollegen sowie Fürsorge füreinander.

Das macht einen liebenswerten Arbeitsplatz aus.
Es gibt zahlreiche Organisationen die zeigen, dass so weit positivere Ergebnisse erzielt werden können - für alle Anspruchsgruppen. Sowohl in als auch ausserhalb der Organisation.
Es ist also nicht die Frage ob Selbstorganisation funktioniert, sondern wie man es umsetzt und in der eigenen Organisation anpasst.
In der Liste unten sind einige faszinierende Beispiele dabei, die nach geltender (akademischer) Lehre nicht funktionieren dürften.
Diese Vorbilder dienen auch mir als Inspiration für Pheonix.
Ich bin gespannt, was dich am meisten beeindruckt?
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In der Auswahl der 19 Unternehmen ist alles dabei: von 10 bis über 80'000 Mitarbeiter; von der Schweiz bis Brasilien, USA und China; von der Anwaltskanzlei über die Finanzdienstleister bis zu produzierenden Mischkonzernen und Reinigungsunternehmen.
- SchoonGewoon
Branche: Gebäudereinigung
Hauptsitz: Niederlande
Mitarbeiter: Über 200
SchoonGewoon ist ein niederländisches Reinigungsunternehmen, das durch Selbstorganisation und partizipative Führung auffällt. Mitarbeiter haben die Freiheit, ihre Arbeitszeiten und Teams selbst zu bestimmen, was zu höherer Zufriedenheit und Effizienz führt. Diese innovative Herangehensweise ermöglicht es dem Unternehmen, flexibel und kundenorientiert zu agieren. - Mindera
Branche: Softwareentwicklung
Hauptsitz: Portugal
Mitarbeiter: Über 1'200
Mindera setzt auf Selbstorganisation, indem sie ihre Mitarbeiter in autonome Teams einteilt. Diese Teams treffen Entscheidungen eigenständig und fördern eine Kultur des Vertrauens und der Transparenz. Das Resultat ist eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit und erfolgreiche Projekte weltweit.. - Liip
Branche: Web- und Softwareentwicklung
Hauptsitz: Schweiz
Mitarbeiter: Über 180
Liip setzt Selbstorganisation durch Holacracy um. Dies ermöglicht den Mitarbeitern, Verantwortung zu übernehmen und ihre Rollen flexibel zu gestalten. Dadurch entsteht eine dynamische Arbeitsumgebung mit hoher Innovationskraft. - Freitag
Branche: Mode und Accessoires
Hauptsitz: Schweiz
Mitarbeiter: ca. 250
Freitag, bekannt für seine Taschen aus LKW-Planen, lebt Selbstorganisation durch flache Hierarchien und dezentrale Entscheidungsfindung. Dies führt zu kreativen Lösungen und nachhaltigen Produkten. - Patagonia
Branche: Outdoor-Bekleidung
Hauptsitz: USA
Mitarbeiter: 3'000
Umsatz: $1.5 Milliarden (2022)
Patagonia setzt auf Selbstorganisation und nachhaltiges Wirtschaften. Teams arbeiten autonom und übernehmen Verantwortung für soziale und ökologische Projekte. Das Resultat ist eine starke Marke mit loyalen Kunden. - The Morning Star Company
Branche: Agrarindustrie
Hauptsitz: USA
Mitarbeiter: Über 600 (Erntesaison: über 1'200)
Morningstar Company ist ein Agrarunternehmen und Hersteller von Tomaten-Rohmasse. Es verwendet Selbstorganisation, indem es seinen Mitarbeitern maximale Autonomie gewährt. Jeder ist für seinen Bereich verantwortlich, was zu höherer Effizienz und Motivation führt. Es gibt Videos auf denen Mitarbeiter Einblick in ihr Unternehmen geben. Doug Kirkpatrick war damals Controller und gehört von Beginn an zu den Wegbegleitern. Er erlebte den schnellen Aufstieg des Unternehmens das heute über 30% Marktanteil hat. Er berät - Haier (inkl. GE Appliances)
Branche: Haushaltsgeräte
Hauptsitz: China
Mitarbeiter: 80.000+ (Haier Gruppe)
Haier nutzt ein Modell namens "Rendanheyi", bei dem kleine, selbstorganisierte Teams volle Verantwortung für ihre Geschäftsbereiche tragen. Dies hat die Agilität und Innovationskraft des Unternehmens gestärkt. Die Mitarbeiter sind in über 2'000 kleineren Unternehmen mit eigener Erfolgsrechnung organisiert. Seit der Übernahme von GE Appliances wird auch im US-Unternehmen Selbstorganisation eingeführt. - Buurtzorg
Branche: Gesundheitswesen
Hauptsitz: Niederlande
Mitarbeiter: Über 15.000
Buurtzorg revolutionierte die Pflegebranche in den Niederlanden durch selbstorganisierte Pflegeteams. Dies führte zu höherer Pflegequalität und zufriedeneren Patienten. Gegründet 2006 mit vier Personen, wuchs das Unternehmen in Rekordzeit auf über 15'000 Mitarbeiter. Die Pflegekräfte sind in kleinen Zellen von nie mehr als 12 Personen organisiert. In der Zentrale arbeiten gerade mal 50 Personen und unterstützt die Teams. Das ist eine Quote von ~0.3% - davon können Unternehmen klassischer Prägung nur träumen.
Und es gibt keine KPI-Vorgaben, wie lange Pflegerinnen bei Klienten sein dürfen. Sie tun das, was sie für angemessen halten. Ergebnis? Sie brauchen im Schnitt weniger Zeit pro Klienten als der Branchendurchschnitt - und die Kunden sind zufriedener. M.E. zeigt das, das KPI Vorgaben Agilität behindern oder gar verhindern. - VSHN
Branche: IT-Dienstleistungen
Hauptsitz: Schweiz
Mitarbeiter: 50
VSHN, ein Schweizer IT-Unternehmen, fördert Selbstorganisation durch flache Strukturen und transparente Entscheidungsprozesse. Dies resultiert in hoher Flexibilität und schneller Reaktionsfähigkeit. Erst kürzlich hat VSHN angekündigt, dass es sein Management-Team abgeschafft hat. Entscheidungen werden durch Mitarbeiter im Konsent in den Teams getroffen. Dabei sind Teams gemäss dem Wertstrom zum Kunden organisiert - und nicht als funktionale Gruppen (z.B. Engineering, Sales, Marketing). - Semco
Branche: Diversifiziertes Industrieunternehmen
Hauptsitz: Brasilien
Mitarbeiter: 50 (ehem. 5'000)
Semco war unter der Leitung von Ricardo Semler ein Vorreiter in Sachen Selbstorganisation und demokratischer Unternehmensführung. In den 1980er und 1990er Jahren setzte Semler radikale Veränderungen um, darunter flexible Arbeitszeiten, selbstbestimmte Gehälter und die Abschaffung traditioneller Hierarchien. Das Unternehmen war so erfolgreich, dass es von ca. 800 Mitarbeitern (1985) auf über 5'000 Mitarbeiter (2001) anwuchs. (Transformation von Semco)
Ricardo Semler begann 2001, seine Anteile an Semco zu verkaufen und verlagerte seinen Fokus auf andere Projekte und Unternehmen. Heute ist Semco Equipamentos das einzige verbleibende industrielle Unternehmen in seinem Portfolio und beschäftigt noch etwa 50 Mitarbeiter. Dieses Unternehmen ist weiterhin nach den Prinzipien der Selbstorganisation strukturiert und bleibt ein Beispiel für innovative Managementpraktiken, wenn auch in kleinerem Massstab als früher. Die anderen Unternehmensteile wurde in traditionelle Strukturen der Käufer eingegliedert. - Barry-Wehmiller
Branche: Maschinenbau
Hauptsitz: USA
Mitarbeiter: Über 12.000
Umsatz/Anzahl Kunden: $3 Milliarden (2019)
Barry-Wehmiller setzt auf eine Kultur der Fürsorge und Selbstorganisation. Teams arbeiten eigenverantwortlich und fokussieren sich auf kontinuierliche Verbesserung. Das Ergebnis ist eine hohe Mitarbeiterbindung und nachhaltiger Erfolg. CEO und Inhaber, Bob Chapman, beschreibt die Überzeugungen in seinem Buch "Everybody Matters: Die aussergewöhnliche Kraft, sich um seine Mitarbeiter wie um eine Familie zu kümmern." TEDx Talk by Bob Chapman - Viisi
Branche: Finanzdienstleistungen
Hauptsitz: Niederlande
Mitarbeiter: Über 40
Viisi ist ein Vorreiter im Finanzsektor und setzt auf Selbstorganisation. Mitarbeiter haben klare Rollen und Entscheidungsbefugnisse, was zu einem agilen, innovativen und engagierten Arbeitsumfeld führt. Viisi setzt auf radikale Transparenz (z.B. Gehaltsformel), keine Bosse sondern gewählte Vertreter und rotierende Vorsitze. Tom van der Lubbe, ein Mitgründer von Viisi, spricht öffentlich über ihre Selbstorganisation - auch in Krisenzeiten. - Bruggink van der Velden
Branche: Rechtsberatung
Hauptsitz: Niederlande
Mitarbeiter: ca. 20
Bruggink van der Velden (BvdV) setzt auf Selbstorganisation und hat innovative Ansätze wie den „Ticket of Trust“-Arbeitsvertrag entwickelt, der auf Vertrauen und gemeinsamen Werten basiert. Dies fördert ein Arbeitsumfeld, das auf Autonomie und Eigenverantwortung setzt. - Delphys
Branche: Gesundheitswesen
Hauptsitz: Schweiz
Mitarbeiter: ~45
Das Schweizer Geburtshaus Delphys fördert Selbstorganisation und legt grossen Wert auf die Autonomie der Mitarbeiterinnen. Dies ermöglicht eine patientenzentrierte Betreuung und ein hohes Mass an persönlichem Engagement. - P4Q
Branche: Elektronikfertigung
Hauptsitz: Spanien
Mitarbeiter: Über 290
P4Q in Spanien setzt auf selbstorganisierte Teams, die für ihre Projekte und Entscheidungen verantwortlich sind. Dies hat zu einer höheren Innovationsrate und Mitarbeiterzufriedenheit geführt. - Wildling Shoes
Branche: Schuhherstellung
Hauptsitz: Deutschland
Mitarbeiter: Über 280
Wildling Shoes fördert Selbstorganisation durch eine flexible und vertrauensbasierte Arbeitsumgebung. Die Mitarbeiter arbeiten überwiegend remote und autonom. Das Unternehmen setzt auf nachhaltige und transparente Lieferketten sowie regenerative Projekte. - Premium Cola
Branche: Getränkeherstellung
Hauptsitz: Deutschland
Mitarbeiter: ca. 10
Premium Cola operiert nach einem kollektiven, basisdemokratischen Modell. Alle Entscheidungen werden im Konsens getroffen, und die Unternehmensstrukturen sind vollständig transparent. Dies fördert ein hohes Mass an Beteiligung und Verantwortung unter den Mitarbeitern. Das Unternehmen arbeitet profitabel seit über 20 Jahren, es gibt keine (Arbeits-)Verträge, alle erhalten den gleichen Lohn, man verzichtet bewusst auf Werbung und an Entscheidungen nehmen sowohl Lieferanten als auch Kunden (Gastronomen) teil. Mehr im TED talk - Oil Energy
Branche: Chemie für die Öl- und Gasindustrie
Hauptsitz: Russland
Mitarbeiter: Über 135
Umsatz: ca. EUR 20 Mio. (2022)
Oil Energy ist ein russisches Unternehmen im Bereich chemische Lösungen und Zusatzstoffe für die Öl- und Gasindustrie. 8 Jahre nach seiner Gründung (2010) implementierte es Selbstorganisation (Sociocracy 3.0) und erzielte seither bemerkenswerte Erfolge (Fallstudie und Präsentation von Zahlen). Das Unternehmen fördert eine flexible und nachhaltige Organisationsstruktur, die es den Mitarbeitern ermöglicht, eigenverantwortlich und effizient zu arbeiten. - Walter Pack
Branche: Verpackung und Automobilzulieferung
Hauptsitz: Spanien
Mitarbeiter: Über 600
Walter Pack ist Teil der NER Group und setzt auf ein innovatives Managementmodell namens "Nuevo Estilo de Relaciones" (NER). Dieses Modell basiert auf Selbstorganisation, Transparenz und partizipativer Führung. Die Mitarbeiter haben Mitspracherecht bei Entscheidungsprozessen, was zu höherer Zufriedenheit und Produktivität führt. Walter Pack ist stolz auf seine ethischen Werte, die Förderung von Teamarbeit und die Umsetzung nachhaltiger Praktiken. Mehr zu den Prinzipien der NER Group hier.