O l i Dee - 2 vor

April 20, 2024

Ich habe Ihr Buch gelesen

Ich lese viel über das Schreiben. Heute schreibe ich über das Lesen. Und am Ende des Beitrags teile ich eine kleine, große Erinnerung. 

Über den Verlauf der Woche halte ich meine Sinne geöffnet, auf der Suche nach einem weiteren Thema für diesen Blog. Ich folge keinem Redaktionsplan. Ich weiß noch nicht mal, wenn ich jetzt lostippe, wie und womit ich heute ende. Obwohl .... das stimmt nicht ganz. Die eingeleitete "kleine, große Erinnerung" - die kommt am Schluss auf jeden Fall. 

Während ich im Verlauf der Woche, wie morgens üblich, lese, stolperte ich über einen Satz, den ich zumindest in meiner Blase regelmäßig höre, sehe oder eben .... lese. Er kommt in unterschiedlichen Varianten daher, beschreibt aber immer das Selbe: 

Ich habe Ihr Buch gelesen.  Darin schreiben Sie ganz interessant ...

Sie haben da ein wirklich lesenswertes Buch geschrieben. Ich habs auch schon gelesen.

AutorIn Y hat ein neues Buch geschrieben. Es ist auch bereits auf der Spiegel Bestseller-Liste auf Platz 1. Ich habe es auch bereits gelesen und kann es nur empfehlen. Sie schreiben darin...

REALLY? "Auch schon" gelesen?

(Und, nein, ich schaue wirklich nur sehr selten Markus Lanz.)

Bei der Fülle von Büchern, der Fülle von Informationen und der Fülle von Kanälen, die jeden Tag bespielt und bedient werden (müssen), begann ich für den Bruchteil einer Sekunde daran zu zweifeln, dass es die jeweiligen Protagonisten wirklich bereits gelesen haben könnten. Was machen die den ganzen Tag, die ganze Woche außer zu lesen? 

Und ganz so naiv, wie es hier klingt bin ich nicht. Ich weiß, dass man professionell lesen kann. Das kann wirklich sehr sehr schnell gehen. Es gibt aber auch Blinkist und natürlich die gute "alte" KI. Außerdem in der Regel ja auch eifrige Redaktionsteams. 

Muss ich wirklich noch in Gänze gelesen haben? 
Alles? 
Muss ich es auch komplett durchdrungen und verstanden haben? 

Letztlich reicht es ja, sich auf ein Kapitel oder eine These fest zu verbeißen und den Urheber damit zu konfrontieren. Den Rest erledigt die Sendezeit oder die Themenvielfalt. Vertiefung schwer möglich. Und der Autor will sein Werk ja auch nur an den Mann und die Frau bringen. Wozu also den Fragenden aufs Glatteis des Ungelesenen schleifen? 

Bereits wenn ich beruflich meine Studien schreibe, das dauert. Und wenn ich sie ein halbes Jahr später zu Zwecken der Vor- und Aufbereitung des Inhalts für eine Präsentation erneut lese - das dauert auch. Erschreckend lang übrigens. Leider ohne Blinkist und aus Datenschutzgründen natürlich ganz sich auch ohne KI.

Und wenn ich selbst, wie geschehen, lese, dann ist das das Eine. Das Andere ist, das Gelesene zu begreifen, zu vertiefen, zu reflektieren und wenn es der Inhalt vorsieht, auch anzuwenden. Ja, klar. Ich spreche hier nicht vom Sonneruntergangs-Roman. Und dennoch. Sind die Leute, die diese Sprüche permanent durch die Kanäle jagen, wirklich so durchprofessionalisiert, dass die das wirklich alles gelesen haben?

Fällt mir schwer zu glauben. Vielleicht zumindest AN-gelesen. Ich amüsiere mich ein wenig darüber, wie sie im weiteren Verlauf der Gespräche über das Buch mit den Urhebern sich durch die jeweiligen Antworten durchlavorieren, um möglichen Rückfragen zu entgehen, die außerhalb des angelesenen Ausschnitts-Wissensschatzes liegen könnten. Ist so ein bisschen wie Völkerball in der Schule: Allen Bällen ausweichen, die auf einen zukommen. Mit nem bisschen Glück ist man die letzte, übrig gebliebene Person. Dumm nur, dass ja aber dann alle Anderen nur noch auf diese Person fixiert werfen dürfen. Aber zur Rettung ist ja dann die Sendezeit auch schon vorbei. Glück gehabt. 

Und damit wir uns hier richtig verstehen. Keine Kritik. Alles gut. Ich fand das lediglich eine kleine Randnotiz wert, weil mir dieser Satz so ins Auge fiel. So, wie kam ich hier hin? 

"Ich habe Ihr Buch gelesen" oder aber auch einfach mal umdrehen: "Ich habe was zum Lesen geschrieben". Oder für die komplett Geübten: "Ich habe was zum Hören geschrieben." Die Verkürzung des zu Sagenden auf ein Versmaß, welches sich dann auch noch wohlklingend mit den dazu komponierten Harmonien zur emotionalen Einheit verschmilzt - das ist die wahre Kunst. Und, äääähm, ich glaube, das haben schon Einige vor mir heraus gefunden. 

Kommen wir daher zur eingangs avisierten "kleinen, großen Erinnerung", die ich im Hinterkopf habe. Die ich immer im Hinterkopf habe, wenn ich nur das Wort "Schreiben" schreibe oder es ausspreche. Es geht um ein wundervolles Lied, dass ich im Jahr 1996 aufnahm und das mit ganz einfachem, kurz und prägnantem Titel daher kommt: 


Ich schreibe

Ich schreibe.png

Treffender, zusammenfassender konnte es mein Bruder, der damalige Autor, nicht formulieren. Der Inhalt des Songs ist etwas komplexer. Aber die Bilder zu Texten und Liedern macht sich ja jeder Hörer selbst. - Also bitte.

Das Lied haben mein musikalischer Partner Andreas Dreyer und ich komponiert. Mein Bruder schrieb den Text. Ich meine mich zu erinnern, dass es erst der Text war, wozu dann die Musik entstand. Ich durfte es Singen, was mir zur damaligen Zeit eine große Freude war, obgleich ungewohnt. Denn es war auf Deutsch. Es war damals die Zeit, als sich Xavier Naidoo gerade als Background-Sänger von Schwester S. (Sabrina Setlur) emanzipierte und man in der Republik so gerade begann, sich an Deutsch auch außerhalb des Schlagers oder des Maffay-Westernhagen-Grönemeyer-Pop-Rocks zu gewöhnen. Gott sei Dank. Es war eine Befreiung - bis heute. Wir spielten das Lied damals in Berlin-Kreuzberg ein. Das Studio gibt es aber nicht mehr. Am Schlagzeug spielte Jan-Peter-Eckelmann, am Bass Tobias und Rhodes und Keys spielte Volker Meitz. Sven Gröhnke an der Percusssion und Rebecca Tjimbawe mit im Gesang. 

Habt Spaß beim Hören. 

About O l i Dee - 2 vor

Hey! Ich bin Oli, Multiinstrumentalist, Musiker, Produzent und Berater für Veranstaltungsstätten. Ich schreibe ... regelmäßig, unregelmäßig. Mal hier ein Gedanke, dort über eine Aktivität, mal hier ein Text oder dort etwas Musik oder auch Weisheiten, wer weiß, Tipps, Trick und häufig auch nur Fragen. Wer kennt schon die Antworten?

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