O l i Dee - 2 vor

March 16, 2024

Verloren im Laufrad des Wissenskonsums - Trilogie II

Es ist dieser Konsum. Er macht vor allem EINS: Zeit rauben⏱️. Die ist weg. Ein für alle mal. Und ob man das Gesehene, das Konsumierte tatsächlich umsetzen kann und wird, ist äußerst zweifelhaft. Die Fülle an Wissen ist viel zu groß, als dass die Zeit reichte, das Gelernte nach zu vollziehen, zu üben und letztlich anzuwenden. Es kommt der Overflow ganz unweigerlich. Und schwuppdiwupp (geiles Wort) sind wir gefangen im endlosen, ewigen Kreislauf, im Laufrad, im Loop des Lernkonsums. Wir konsumieren um zu lernen, oder zumindest um zu glauben, und zu hoffen, zu lernen (... bisschen viele Kommata).

Aber machen wir uns mal ehrlich: Was davon bleibt am Ende wirklich hängen, geschweige denn, wird später in Aktion umsetzbar. Und was davon macht irgend etwas in unserem Leben besser?

Ich tippe mal auf wenig bis nichts. Möglicherweise haben wir es personenabhängig von einer Lernkurve zu tun, deren Steigung sehr stark und immer mehr abnimmt. War das die erste oder zweite Ableitung einer Funktion? Beides.

Bis sie nur noch flach wie die sagenumwobene Flunder ist, und es ist am Ende nur noch reine Zeitverschwendung.

Letztens habe ich auf Instagram, ja, auf Instagram, dieser Zeitverschwendungsschleuder, eine nette Geschichte gesehen von einer Mutter, die Ihrer Tochter auf die Frage antwortete, warum es schlecht sei, und was es Ungutes mit dem kindlichen Gehirn mache, wenn man die ganze Zeit vorm Handy verbrächte:

Willst du dein Leben damit verbringen und verschwenden, Anderen beim Leben zu zu schauen? Du vergisst dein eigenes Leben dabei.

Aus meiner Sicht ist die Antwort klar. Ob diese Antwort jedoch der nächsten und übernächsten Generation klar ist, weiß ich nicht. Und ob es am Ende wirklich ein Problem ist oder wird, oder wieder nur die üblichen Gedanken alter Generationen gegenüber der jüngeren sind, ist schwer zu sagen. Mein Bauch sagt mir, das es schon fundamentale Erkenntnisse sind, die eindeutig gegen zu viel Konsum sprechen, generell und in jungen Jahren allemal.

Nur wenige Tage später hörte ich einen interessanten Gedankenaustausch zweier Generationen zum Thema Selbstoptimierung. Prof. Dr. Rieck und Niklas Steenfatt haben sich über Optimierungstechniken, Herangehensweisen und dazu ausgewählte Apps unterhalten. Und während Niklas Steenfatt extrem durchstrukturiert seine Tage angeht, verlässt sich Prof. Rieck auf (s)eine zum Teil auch liebevolle, chaotische Ordnung, die sich für ihn auch als strukturiert, optimiert und zielorientiert darstellt. Ich hoffe, ich gebe das einigermaßen richtig wieder.

Beide waren dem Anderen gegenüber offen und reflektierten, ob die jeweils andere Herangehensweise Dinge hervorbringen könnte, die ins eigene optimierte ICH zu übernehmen, lohnenswert wären.
Neben einer Reihe interessanter Apps die Steenfatt hervorbrachte, die er im Zuge dessen als kleines Ebook hübsch aufbereitet, natürlich per Newsletter, zur Verfügung stellte (Affiliate Alarm!), hatte mich eine Aussage von Prof. Rieck unmittelbar angesprochen:

Man kann und muss nicht alles optimieren. Man muss und kann auch nicht alles durchstrukturieren.

Für ihn fühlten sich diverse Techniken, Vorschläge des persönlichen Optimierens und der Produktivitätssteigerung geradezu wie Käfige an, aus denen er letztlich immer wieder ausbrechen möchte und vor allem dann nach einiger Zeit auch muss. Und um nicht auszubrechen, könnte man sich ja auch erst gar nicht da hinein begeben. Da er selbst ein Buch zur Produktivitätssteigerung durch Selbstüberlistung aus spieltheoretischer Sicht geschrieben hat, nutzt er hier andere Gedankenmodelle, sich der Sache zu nähern und ist weniger auf der App-Seite der Optimierungswelt unterwegs. Das aber nur am Rande.

Mich hat das angesprochen, da ich bis zu meinem 28. Lebensjahr selbst eher kreativ und intrinsisch selbstoptimiert unterwegs war. Ich konnte Organisationspläne formulieren und hatte einen unglaublich großen Umfang und Platz in meinem Hirn, mir Dinge zu merken bzw. in dem Moment daran zu denken, von wo an es wichtig wurde, daran zu denken, um noch rechtzeitig in die Umsetzung zu kommen. Für mich - für andere. Mit Puffer. Ausreichend Puffer.

Das änderte sich schlagartig als mich ein riesiger Koloss, ein aus dem Bergmassiv herausgebrochenes Wort aus 10 Buchstaben mich fast unter sich begrub und drohte zu ersticken: die CHECKLISTE. Allein schon die Aussprache dieses Wortes kann bedrohlich klingen.

Kaum, dass ich mich berappeln konnte, war ich ihr auch schon verfangen. Nicht freiwillig. Ganz bestimmt nicht. Ich kam aus einer anderen Welt. Aus der losen, lockeren Studentenzeit, aus der verträumten Musiker- und Künstlerwelt. Ich arbeitete zuvor beim Radio. Und plötzlich fand ich mich wieder in der projektgesteuerten Welt der Veranstaltungen in einer großen Multifunktionshalle. Klingt nicht weit weg? Es waren Welten.
Und die Checkliste hat alles verändert. Sie war das Einfallstor zu Struktur. Organisation lag mir schon immer, nun kam also auch noch Struktur dazu. Auch gut.

Der Aufprall war zumindest hart. Denn es ist nicht schön, wenn man all zu poetisch-lyrische Sitzungsprotokolle vom Geschäftsführer rot durchgestrichen zurück bekommt, um dann fest zu stellen, dass der kreative Ansatz hier wohl nicht der ist, dem das Kollegium folgen kann oder möchte.

Ah - es gibt also doch Menschen, die anders ticken, als man selbst. Selbsterkenntnis.

Und wenn ich der Checkliste etwas Wesentliches abgewinnen kann und konnte, dann ist es Transparenz. Man mag zu ihr stehen, wie man will. Aber Struktur, Abläufe, Aufgaben, Zeiten, Einsätze etc., sie werden für jeden sichtbar. Ohne viel Textclutter drum herum. Check ✔︎. Akzeptiert. Daher habe ich es wohl auch optimiert bis zum "get no".

Bin ich abgeschweift? 

Über fast endlosen Wissenskonsum bin ich zur Selbstüberlistung und Selbstoptimierung gekommen und lande bei Persönlichem und Checklisten. Wunderbares Gedankenkarussell.

Ich habe mir selbst eine Checkliste, ach was sage ich, eine? - viele angelegt und schreibe weiter. Jede Woche. Die Liste wächst. Gerne weiter sagen.

Bis nächste Woche.

PS:
Für die Sammlung, die Einleitung und Vervollständigung hier die Links zu Trilogie Teil I und
Trilogie III.

About O l i Dee - 2 vor

Hey! Ich bin Oli, Multiinstrumentalist, Musiker, Produzent und Berater für Veranstaltungsstätten. Ich schreibe ... regelmäßig, unregelmäßig. Mal hier ein Gedanke, dort über eine Aktivität, mal hier ein Text oder dort etwas Musik oder auch Weisheiten, wer weiß, Tipps, Trick und häufig auch nur Fragen. Wer kennt schon die Antworten?

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